Über das Sehen

Ich sehe was, was du nicht siehst. Es ist dasselbe, aber nie ist es gleich.

Mögen wir auch dasselbe sehen, so erkennen wir doch etwas anderes, denn immer reflektieren wir auch etwas von uns selbst in das Andere hinein. Vielleicht können wir überhaupt nur etwas erkennen, wenn wir es bereits in uns haben? Wie Goethe schon sagte; Wäre das Auge nicht sonnenhaft…Schade nur, dass wir das so selten bedenken, dann bräuchten wir nicht so viel Angst vor dem vermeintlichen Fremden haben.

Wie frei sind wir denn nun beim Betrachten? Können wir unseren Blick frei machen von Vor-stellungen? Durch welchen Filter laufen die gesehenen Dinge, welche Trübungen, Verfärbungen und Verzerrungen wirken in ihre Erscheinung hinein, bevor wir uns ein Bild von ihnen machen?Kreieren wir uns also die Welt wie sie uns gefällt oder anders gesagt, so wie wir sie am besten ertragen? Passen wir die äußeren Erscheinungen unseren Glaubensätzen über das Leben so weit an, bis wir sie in unser Lebenskonzept einfügen können?

Wie ist unser Lebenskonzept entstanden? Ist es aus der Freiheit heraus geboren? Oder haben Emotionen mitgestaltet, wie z.B. Minderwertigkeitsgefühle, Einsamkeit, Enttäuschung, Angst usw. Prägen Faktoren unser Bild über das Leben mit, die aus extrem emotionalen Situationen entstanden sind, welche eigentlich mit dem Jetzt und der aktuellen Erscheinungsform unseres Gegenüber gar nichts zutun haben? Hegen wir dadurch Misstrauen und negative Beurteilungen für etwas, was eigentlich etwas ganz anderes verdient? Würde uns das, was uns gerade begegnet vielleicht glücklich machen können, wäre es eventuell eine Bereicherung für uns, wenn wir es frei von unseren alt her gebrachten verzerrenden Rastern erkennen könnten?

Wie weit können wir also unserem Blick trauen? Was erzählt uns unsere Beurteilung über den Anderen und was erzählt es uns über uns selbst?                                                                     Ist es uns möglich das Wesentliche, das Ware im Anderen wahrzunehmen? Wie aber soll uns der andere mit seiner Wahrheit berühren können, wenn wir ihn nicht durch unsere Bewertungskontrolle passieren lassen?

Sind diese kategorischen Bewertungen aus Freiheit entstanden oder dienen sie uns nicht eher als Abwehr? Wir alle wollen uns schützen, damit wir einigermaßen heil durch das Leben kommen, damit geschehene Verletzungen nicht noch einmal passieren. Doch dieses  Abwehrsystem kostet uns den Blick auf das Leben, mit all seinen unvorhersehbaren lebendigen Erscheinungsformen, mit all seinen Möglichkeiten.

Wir denken damit das Leben kontrollieren zu können, doch das Leben lässt sich nicht kategorisieren, dort wo wir glauben Kontrolle zu haben, dort haben wir leblose Orte in uns geschaffen, die wir mit Vorstellungen über das Leben gefüllt haben.

Doch ist da nicht eine Sehnsucht, die in unserer Sicherheitszone umherwebt?  Ein Fernweh nach unserer noch nicht gelebten Lebendigkeit? War da nicht mal eine Neugierde auf das Leben in all seinen Facetten?

Wie also erobern wir uns unseren leblosen Raum zurück?

An all unsere Abwehrmechanismen heran zukommen ist sehr schwer, da wir die meisten von ihnen unbewusst installiert haben. Unser Verstand ist sehr geschickt im Konstruieren von Lebenskonzepten.

 Das macht er uns zuliebe, er will uns helfen gut über die Runden zu kommen. Doch wir dürfen ihn damit nicht alleine lassen, denn wenn er der einzige ist, der uns durch das Leben steuern soll, dann ist der überfordert. Er verhärtet, er wird starr, alles wird linear, wird weiß und schwarz und nur das Berechenbare sieht er als wahrhaftig an. Ihm fehlen gewissen Eigenschaften um das Leben als Ganzes zu verstehen.

Das westliche Wertesystem hat ihn, unseren kleinen, einsamen Verstand zum König erkoren, denn eben, weil er alles kontrollieren will, wird er damit kontrollierbar. Das macht ihn überschaubar, lenkbar. Es ist praktisch, dass er so kleine leblose Orte erschaffen kann, in denen er das Leben kategorisiert und etikettiert und Vorstellungen über das Leben konzipiert. Diese Orte kann man mit Informationen verschiedenster Art füttern. Und weil unser Verstand von uns so alleine gelassen wurde, nimmt er gerne Ansichten an, die ihn dann mit ganz vielen anderen verbinden können. Auch im Weglassen von Qualitäts-Kontrollen hat er es zu einer ausgefeilten Taktik gebracht.

Aber wie ist es passiert, dass unser Verstand so alleine ist, so verlassen von allen guten Geistern? Weil Intuition in unserem Wertesystem nicht viel wert ist? Weil die Seele kitschig ist wie ein Liebesroman? Weil man Geistigkeit nicht wissenschaftlich beweisen kann? Weil Gefühle zu sentimental für `Gewinner´ sind?

Warum vertrauen wir so wenig all diesen menschlichen Qualitäten? Ist unser Verstand dadurch nicht eher zu einem allein regierenden Diktator geworden?

Warum wirken in uns nicht all diese Qualitäten, wenn unser Blick auf ein Gegenüber trifft?

Wie finden wir wieder Zugang zu diesen Qualitäten? Wie füllen wir mit ihnen den leblosen Raum in uns?

Welche Möglichkeiten können wir noch entwickeln, um mit uns und der Welt in einen Dialog zukommen, der von unseren Abwehrmechanismen nicht okkupiert wird?

Wir versuchen erst einmal das Hauptwerkzeug des Verstandes, das Angst kontrollierte Denken, außer Acht zulassen. Wir suchen andere Ausdruckmöglichkeiten. Wir nehmen uns den leeren, leblosen Raum vor, in dem wir ein weißes Platt Papier vor uns legen. Und nun beginnen wir sachte, Schritt für Pinselschritt, diesen Raum zu beleben.

Wenn der Verstand schweigt, dann können wir Seelen-Raum wahrnehmen, wir begeben uns in das Abenteuer, uns von der Intuition führen zulassen. Will sich unsere Versagerangst dabei aufbäumen, dann begegnen wir ihr mit Empathie. Sie will uns warnen, dass etwas Unvorhersehbares passieren könnte, sie will uns vor Schmach schützen, aber wir sind gerade nicht in Gefahr, niemand wird uns auslachen, alles was kommt, ist richtig, ist authentisch, alles darf sein.

Hatten wir immer gedacht, Offenheit ist ein Zeichen von naiver Schwäche, so erkennen wir jetzt, dass Offenheit Stärke bedeutet. Was wir nun lesen auf unserem nicht mehr leeren Papier-Raum ist keine klare, lineare konstruierte Form, ist sind nicht schwarz-weiß.

Sucht unser Verstand noch nach Begriffen, weiß unser Gefühl schon viel mehr, denn es empfindet was es sieht, es erkennt auf intuitive Weise, etwas von sich selbst und gleichzeitig etwas Universelles, im selben Augenblick, im selben Pinselstrich.

Während unser Verstand noch rätselt an etwas, was er nicht lesen kann, weil es nicht mit Worten erklärbar, weil es nicht beweisbar ist, lebt eine Geistigkeit in uns auf, die uns nicht Wissen lehrt, sondern Weisheit.

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